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Satire
von Bernhard Mößner |
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Die sieben Schwaben aus
Dingsda
Ein satirisches Märchen
Gut versteckt hinter sieben hohen Schwarzwaldbergen lag einst das sagenhafte
Land Dingsda.
Die Bewohner dieses Landes
waren sehr glücklich und führten ein zufriedenes und beschauliches Leben.
Zufrieden mit sich, mit seinen Untertanen und mit der ganzen Welt war auch
ihr König, der mit seiner Königin und mit Sylvia, seiner jungen Prinzessin,
im Schloss von Stänkerfeld, wie die Haupt- und Residenzstadt des Landes
hieß, residierte.
Damit seine Landeskinder auch am Sonntag keine Langeweile bekamen, hatte
ihnen ihr gütiger
König am Marktplatz, mitten in
der Hauptstadt ein prächtiges Theater bauen lassen.
An allen Sonntagen spielte der Kasper dort auf der Bühne sein Kasperltheater
und machte
seine Späße mit dem dummen
Teufel. Dann lachten die Zuschauer, die aus den Dörfern und Tälern
von Dingsda in ihre
Landeshauptstadt gekommen waren.
Wenn der Kasper am Schluss über den tollpatschigen Teufel gesiegt hatte,
dann freuten sie sich
und gingen wieder heim in ihre
Häuser und erzählten ihren Nachbarn sechs Tage lang, was sie am
Sonntag in der Residenzstadt
erlebt hatten.
An einem Sonntag, an welchem, das habe ich vergessen, saßen im Zuschauerraum
zufällig
einige Schwaben aus dem Tal
der Ahnungslosen, das war ein kleines Seitental des Landes Dingsda.
Sie lauschten und spitzten die
Ohren, als der Kasper den Teufel fragte: „Was machst du gegen
die gräuliche Seuche, welche
die Rinder im Süden und Norden unseres Landes so krank macht,
dass sie nicht mehr stehen und
gehen können?“ Der Teufel legte seine linke Hand auf die Brust
und sagte: Ich begieße alle
Kühe von Dingsda mit Teufelswasser, dann sind sie gefeit gegen
sämtliche Krankheiten. Da gab
ihm der Kasper einen Stoß und sagte: Dein Teufelswasser hat
mir noch nie geholfen, du
müsstest zumindest Sprudelwasser aus Alpirsbach nehmen. Ich werde
mir lieber sieben gescheite
Schwaben suchen und sie in die fremde Provinz schicken, um die
Krankheit zu besiegen.
Jetzt begannen die braven Schwaben, die im Zuschauerraum saßen, sich
gegenseitig zu zählen,
und der eine berechnete, sie
wären zu sechst und der andere brachte immer nur fünf heraus,
denn er vergaß, sich selbst
mitzuzählen. Auf jeden Fall ärgerten sich die fünf oder sechs
Schwaben, weil sie dachten:
„Wenn wir jetzt sieben Schwaben wären, würde uns der Kasper
bestimmt dorthin schicken, wo
die schlimme Seuche unter den Kühen wütet“.
Die Schwaben, die eben in solchen Gedanken aus dem Theater heraus kamen,
waren:
Der Allgäuer aus Wangen, der
Spiegelschwab aus Inningen, der seine Nase immer am Ärmel abputzt,
der Blitzschwab von Aulendorf,
der Knöpfleschwab aus Memmingen und sein Bruder, der
Nestelschwab. Sechster im Bund
war der Seehas, ein bekannter Lügenbeutel und Aufschneider
aus Sipplingen.
Gerade als der Spiegelschwab noch einmal nachzählte, ob sie jetzt zu fünft
oder zu sechst wären,
kam der Gälfiäßler, (der aus
dem badischen Hotzenwald zugewandert war und deshalb gar kein
echter Schwabe war) dazu und
sagte: „Ihr Keiweschwowe hänn bigott e scheeni Prinzessin!
Was meine ihr, wänn selli diä
arg Seuche au bikumme tät?“
Da erschraken die sechs Schwaben und der Seehas sagte: „Sapperlott, des käm
uns weidli teuer“
und der Blitzschwab wurde bös
und sagte zum Gälfiäßler: „Potz Blitz, dü Lalli, unser Sylvia isch
doch kei Kueh und zuedem sin
mir ehrliche Schwowe un keini Keiwe. Ihr hent im Badische jo gar
koi Prinzessin, net emol eini,
wu riächt wüscht ischt“. Der Gälfiäßler wurde jetzt geheißen,
sie sicherheitshalber noch
einmal nachzuzählen. Und jetzt, mit ihm zusammen, waren sie doch
sieben an der Zahl.
Da taten sie miteinander einen siebenfachen Schwur, wie sie im Auftrag des
Kaspers das Land
von der grässlichen Seuche
befreien würden. Der Allgäuer sagte: „Bi Goscht!“ Er haute mit der
Faust einen gewaltigen
Holzpfahl in den Boden, dass er am anderen Ende der Weltkugel, drüben
im Badischen wieder
herausschaute. So zogen sie los und kamen nach drei Tagen Fußmarsch spät
am Abend ans schwäbische Meer.
Das Wasser darin war sehr blau und wogte lustig hin und her. Sie setzten
sich ans Ufer und
der Knöpfleschwab holte die
WMF-Pfanne von seinem Handkarren und begann, gelben Teig
zu schwäbischen Schpätzle zu schaben. Der Blitzschwab sagte: „Potz Blitz,
ich nehme ein Bad,
zu was haben wir unser eigenes
Meer!“ Der Allgäuer warf seinen Spieß voraus ins Wasser und
hupfte voran, die anderen vier
empfahlen sich Gott und hopsten hinterher. Sie taten unten aber
keinen Platscher sondern einen
harten Plumpser, denn was unter ihnen wogte, war nicht das
schwäbische Meer, sondern ein
blau blühendes Flachsfeld. So rappelten sie sich auf, besahen
ihre blauen Flecken und
futterten sodann des Knöpfleschwaben Pfanne ratzeputz leer.
Am andern Morgen fiel dem Allgäuer ein, dass er seinen Spieß am Abend ins
schwäbische Meer
geworfen hatte. Als er ihn
jetzt aus dem Boden zog, lag grad daneben ein stattlicher Feldhase,
der mausetot war. „Potz
Blitz“, sagte der Blitzschwab und der Allgäuer kratzte sich unter seinem
grünen Hut. „Das ist kein
rechter Feldhas“, sagte darauf der Seehas, „ein richtiger Has wäre
fortgehopst, als wir gestern
hier hereingeplumpst sind.“ „Wir sind auf ihn gefallen“, meinte der
Gälfiäßler, da hat er sich zu
Tod erschrocken“.
„Er hat auf uns gelauert“, lispelte der Nestelschwab und zog die Nestel an
seinen beiden Schuhen
fester an. Worauf sein Bruder,
der Knöpfleschwab meinte: „Wenn dort unten richtiges Wasser
gewesen wäre, hätte und das
Untier alle gefressen“:
„Potz Blitz“ sagte wieder der Blitzschwab und der Spiegelschwab putzte ein
ums andermal seine
Nase am Kittelärmel ab. Der
Allgäuer, als der Stärkste unter ihnen, musste dem toten Ungeheuer
das Maul aufsperren. „Der hat
Zähne wie ein Haifisch“, sagte jetzt der Seehas, „der hätte uns
zuerst tot gebissen und wäre
mit uns fortgeschwommen zu seiner Höhle.“
„Wir nehmen ihn mit, sonst glaubt uns niemand, was für ein Abenteuer wir
hier überstanden haben,
wenn wir heim kommen“, rief
der Spiegelschwab und alle nickten und gaben ihm recht. Und der Allgäuer
wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Bart und sagte: „Wenn wir je
wieder hoim kommet…“
Er nahm aber mutig den Spieß
mit dem toten Feldhasen daran auf seine Schulter und sie suchten
weiter nach dem schwäbischen
Meer.
„Ich schmeck oin Wasser“, rief auf einmal der Seehas, und da sahen sie auch
schon ein Ufer.
Der Knöpfleschwab holte die
Kanne von seinem Handwagen, den er hinter sich hergezogen hatte
und schüttete das Wasser darin
aus, denn es hatte schon ein komisches Ǵschmäckle. Als sie
aber näher an den See kamen,
sahen sie, dass das Wasser im See so weiß war, wie der
schwäbische Schnee daheim im
Winter. Der Knöpfleschwab musste einen Finger hinein tunken
und meinte, es schmecke so
ähnlich, wie die Kuhmilch von Memmingen.
Rechts vor ihnen stand ein großes blaues Schild, auf dem stand:
„Europäischer Milchsee“ und
„Baden verboten!“ Da kratzte
sich der Allgäuer wieder den Grind unter dem Hut und der
Blitzschwab sagte vielmal:
„Potz Blitz, dass dich śMäusle beiß“, was der schlimmste Fluch war,
den er wusste. Der
Knöpfleschwab nutzte die Gelegenheit und füllte seine Kanne auf mit der
Milch aus dem See. Dann maulte
er, weil er den Karren immer allein ziehen sollte, denn direkt
vor ihnen lag ein hoher Berg,
so hoch wie der Heuberg, und der Boden unter ihnen wurde weich
und matschig.
Da war wieder so ein blaues Schild, wie vorher am See und der Gälfiäßler
musste schauen, was
dort angeschrieben war.
„Europäischer Butterberg“, stand dort und „Vorsicht! Besteigen verboten!“
So mussten sie wohl oder übel
einen Umweg um den Berg herum machen. Dem Knöpfleschwaben
wars nur recht. Er hätte sonst
den Karren mit der Kanne und dem Mehl und den vielen Hühnereiern
für die Spätzle doch allein
den Berg hinauf und hinab schinden müssen.
So zogen sie einen ganzen Tag lang dahin und kamen bis an einen Hof und
davor stand wieder
eine Tafel aus Holz oder aus
Blech und darauf stand: „Wir bewirtschaften unsern Hof nach
strengen ökolo- gonomischen
Richtlinien“. Weil ihnen aber die Landluft gut tat, beschlossen sie,
hier ihr Nachtlager
aufzuschlagen. Sie hätten noch weiterlaufen können, aber der Knöpfleschwab,
der den Karren hinter sich
herzog, hatte sich immer öfter am Weg hinsetzten müssen und der
Nestelschwab schimpfte und
lamentierte, weil er alleweil über seine langen Schuhnestel stolperte
und hinfiel.
Als sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, gingen sie hinüber ins Dorf und
versuchten in der Wirtschaft
„Zum guten Beck“ lange den
berühmten, aber teuren Seewein.
Als sie am andern Morgen mit schweren Köpfen aufwachten, stand die Sonne
schon hoch am
Himmel. Helmut, der
ökologonomische Bauer kam eben mit seinem Wagen zurück. Er hatte die
Milch von seinen Kühen gerade
in den Milchsee geschüttet und die Pritsche mit
„Euro-Hochleistungs-Rinderfutter“ und mit „Euro-Milchersatzpulver zur
Kälbermast“ beladen.
Sie fragten ihn nach der
schlimmen Rinderseuche, er hatte aber nie von keiner Seuche nichts gehört.
Also zogen sie von dannen. Sie mochten so eine oder zwei Stunden gegangen
sein, als sie auf
einer Wiese einem großen Bären
begegnet sind. Er schien tief zu schlafen und die sieben
Schwaben standen weit von ihm
entfernt beisammen und beratschlagten, was zu tun sei.
„Ist das die gräuliche
Seuche?“, fragte der Nestelschwab ein ums andere Mal und die anderen
sechs sagten „pst pssst“ und
lugten und losten und horchten zu dem Bären hin, bei dem sich
nichts bewegte. Als er nach
einer Stunde noch keinen Schnaufer getan hatte, sagte der
Spiegelschwab: „Ha no“, und
der Blitzschwab meinte: „Potz Blitz, der Malefitzbär, des
isch e rechter Saubachel“. Da
wagte sich der Allgäuer einen Schritt vor und spupfte den
Bären mit seinem Spieß. So
beschlossen sie zusammen, dass er schon tot sei und der Allgäuer
rannte ihm vorsichtshalber den
Spieß tief ins Fell, aber der Bär blieb liegen und tat keinen
Schnaufer mehr.
„Ist er vor Angst gestorben?“ fragte der Nestelschwab und der Gälfiäßler,
der sich die Nase mit
seinem Sacktuch zuhielt,
sagte: „Der schtinkt jo scho!“ „Potz Blitz“, meinte da der Allgäuer,
„hier können wir ihn nicht
liegen lassen“. So spießten sie ihn denn auf und trugen ihn mit sich fort,
drei Schwaben vorne und drei
hinten. Der Knöpfleschwab hatte den toten Hasen in die leere
Pfanne getan, auf dass er
unterwegs nicht verloren gehe. Die Sonne schien und die sieben
Schwaben schwitzten und der
Bär stank vor sich hin. Gegen Abend kamen sie zu einer Mühle.
Dass es eine Mühle war, sahen
sie an dem großen Wasserrad und an dem Bach, der unter dem
Rad hindurchfloss.
Der Bär stank noch viel schlimmer, als am Mittag und der Hase in der leeren
Pfanne tat es ihm gleich.
Sie beratschlagten gerade, ob
sie ihren Bären und den Hasen in den Bach tunken und abkühlen
sollten, als der Müller zu
ihnen herauskam und sie begrüßte. Dann nahm er, ohne sie lang zu fragen
und zu fackeln, ihren Bären
samt dem Hasen auf seine Schubkarre und verschwand damit
in seinem Haus.
„Ha no“, sagte der Allgäuer ein ums andere Mal und der Blitzschwab sagte
grad so oft:
„Potz Blitz, des isch e
Saubachel“. „Das Haus mues e Badeanstalt si“, meinte der Gälfiäsler und
glaubte nicht anders, als der
Müller in seinem weißen Kittel sei der Bademeister, der die Pelze
der beiden im Badwasser walken
und schruppen wollte, dass ihnen Hören und Stinken vergehe.
Als sie aber weit nach
Sonnenuntergang wieder an die verschlossene Mühlentür klopften und
vom Müller wissen wollten,
wann sie ihre gewaschenen Tiere mitnehmen könnten, lachte der
Mann in seinem weißen Kittel
und zeigte auf die vielen vollen Papiersäcke, die in der Mühle
standen und sagte: „Dort drin
sind sie gut versorgt und aufgehoben.“ Auf den Säcken, die
überall gestapelt waren,
stand: „Euro-Hochleistungs-Rinderfutter“ und in einer Ecke lagen Pakete
mit der Aufschrift:
„Euro-Milchersatzpulver zur Kälbermast“.
Der Blitzschwab wollte vom Müller wissen, warum er keine Körner mahle, wie
ihr Müller daheim in
Aulendorf, sondern tote Bären
und Hasen, und wieso die Bauern hier die Milch in einen See schütten
und die Kälber mit Pulver
füttern, statt mit Milch.
Da lachte der Müller und klopfte sich auf seinen Bauch und sagte, als er vor
Lachen wieder
sprechen konnte: „Kommt ihr
etwa aus dem bekannten Tal der Ahnungslosen? Seid ihr womöglich
aus jener Gegend, wo die
Bauern ihre Kälber noch mit Milch tränken? Füttern eure Bauern ihre
Kühe noch mit Heu und Körnern
vom Feld?
Unsere Bauern schütten ihre Milch in den Milchsee und die Molkerei macht aus
dem Milchsee
einen Butterberg und die
Butter stapeln wir hoch auf oder sieden Fett daraus, mit dem wir
unsere Maschinen und Mühlen
schmieren.“
Nun wurde der Knöpfleschwab sterbenskrank, er wollte heim nach Memmingen.
Also gingen sie
zusammen an einen Schalter der
„Öffentlichen-Pferdebahn-Nahverkehrs GmbH, kurz: (ÖPfBNV),
der zum Glück gerade geöffnet
war und kauften schnell sieben Billets nach Stänkerfeld. Als sie
zurückkamen, fragte sie der
König nach ihren Erlebnissen in der Fremde und sie erzählten ihm,
wie sie dort einen Hasen und
einen Bären erlegt und wie sie ihn heimbringen wollten. Und dass der böse
Müller, der gar kein richtiger Müller war, ihre Beute, statt sie zu baden,
zu Rinderfutter und zu einem Pulver, das die Kälber
nachher trinken müssen,
vermahlen habe.
Da wurde ihr gütiger König sehr böse, er befahl den Müller, der kein
richtiger Müller war, samt dem
zuständigen Minister mit
seinen Sekretären, aus der fernen Provinz an seinen Hof. Die Sekretäre,
vor allem die Minister und der
Müller bettelten um Gnade, aber der König war überhaupt nicht
mehr gütig gestimmt und ließ
sie ins Gefängnis führen, wo sie all das Pulver, das die Kälber und
Kühe dort fressen sollten,
selber aufessen mussten. Sie säßen heute noch dort und löffelten ihren
Brei, hätte sie nicht bald ein
gnädiger Wahnsinn von ihrem Schicksal erlöst.
Die sechs Schwaben aber und der badische Gälfiäßler bekamen Freikarten und
sitzen an jedem
Sonntag im Theater von
Stänkerfeld, und lachen über den Kasper und seinen dummen Teufel.
© 2004 Bernhard Mößner
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