Arbeitstage beginnen zeitig: Der Wecker meldet sich zur einprogrammierten Zeit,
dann ist es Zeit aufzustehen, zu Frühstücken, die Zähne zu putzen, es bleibt
kaum Zeit, jene Räumlichkeiten aufzusuchen, die jeder um diese Zeit aufzusuchen
genötigt ist. Die Zeit drängt, schon ist es allerhöchste Zeit, rechtzeitig ins
Geschäft zu eilen.
Alle unsere Mitmenschen scheinen um diese Zeit noch Zeit zu haben: Die anderen
Verkehrsteilnehmer, die öffentlichen Verkehrsmittel, die Radfahrer, die
Fußgänger, die Rentner, alle haben sie alle Zeit der Welt, man ist gezwungen,
ihretwegen an roten Ampeln und Zebrastreifen kostbare Zeit zu vertrödeln.
Es ist die Zeit der schlechtgelaunten, weil unausgeschlafenen Morgenmuffel, und
es wäre pure Zeitvergeudung, sich mit solchen Zeitgenossen länger als nötig
aufzuhalten. Die Zeit rennt uns davon!
Dann kommt die Firma mit ihrer gleitenden Arbeitszeit, mit ihrer harten Kernzeit
und ihrem dünnen Gleitzeitpolster. Da gilt es, seine Zeit einzuteilen. Der
Mensch in der Arbeitswelt muss mit der Zeit gehen! Ein Zeitnehmer misst die Zeit
im Sekundenzeittakt, um den zeitsparendsten Zeitfaktor zu ermitteln. Sein
Zeitaufwand scheint sich mit der Zeit zu lohnen.
Zeiträuber lauern am Arbeitsplatz auf unsere Zeiten: Rüstzeiten, persönliche
Verteil- und technische Störungszeiten, sie alle summieren sich zu nicht
hinnehmbaren Fehl- und Stillstandszeiten, welche in
der Summe die Produktionskosten der Firma erhöhen. Was dort zählt, ist die reine
Produktionszeit! Weg mit den unproduktiven Zeiten! Wer nicht zeitbewusst
arbeiten will, soll auch nicht essen! Da gilt es, Zeitreserven aufzuspüren. Die
individuellen Zeitkonten der Mitarbeiter werden mit der Zeitlupe durchsucht. Wo
nahmen diese die gehorteten Zeiten her?
Betriebliche Zeitstudien sind das Gebot der Zeit, um verloren gegangener
Arbeitszeit rechtzeitig auf die Schliche zu kommen! Bravo! Wo kämen wir denn da
hin mit der Zeit, wenn sie einfach verschwinden lassen könnte!
Nicht wenige Kolleginnen und Kollegen arbeiten oft lange Zeit zeitgemäß mit
befristeten Zeitverträgen. Andere arbeiten mit Teilzeit-Arbeitsverträgen, sie
dürfen oder müssen ihre Zeit zeitversetzt auf verschiedene
Firmenteilzeitarbeitsplätze verteilen.
Manche Mitarbeiter schwärmen in den kurzen Pausenzeiten von der guten alten
Zeit. Andere Mitbürger sind gezwungen, eine Zeitlang oder eine lange Zeit zu
Hause zu bleiben und auf bessere Zeiten zu hoffen. Verloren gegangenen Zeiten
nachzutrauern ist so sinnlos, wie ein Besuch auf dem Fundbüro: niemand hat
irgendeine gefundene Zeit dort abgegeben. Für Mitarbeiter, die bereits mehr als
fünfundfünfzig Lebensjahre auf dem Buckel haben, ist das Arbeitsendzeitalter
erreicht, ihre aktive Zeit ist abgelaufen! Moderne Arbeitszeitmodelle bieten die
Möglichkeit, Zeitkonten anzulegen und Zeit anzuhäufen. Es wäre aber unklug, bei
einem positiven Zeitkontostand das Zeitliche allzu frühzeitig zu segnen.
Am Zeitgeist scheiden sich die Geister: Der eine eilt seiner Zeit voraus und ein
anderer hinkt ihr hinterher!
Wir lassen sie uns nicht nehmen, die Zeit! Schon gar nicht unsere sauer
verdiente Freizeit! Ging uns doch unendlich viel kostbare Lebenszeit am
Arbeitsplatz verloren.
Dabei müssen wir viel Zeit dafür aufwenden, einen Zeitvertreib zu finden, der in
unsere Zeit passt. Wenigstens in dieser Zeit müssen wir uns abheben vom
Freizeitverhalten unserer Mitmenschen.
Freizeit pur vermitteln uns die professionellen Zeitvertreiber mit ihren
Freizeitclubs und Freizeitparks zu allen Jahreszeiten.
Wer mit seiner Zeit nichts anzufangen weiß, dem bleibt nichts übrig, als diese,
die einzige, die er hatte, irgendwie tot zu schlagen.
© 2004 Bernhard Mößner
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