Ich rauche nie vor dem Aufstehen.
Das sollte man auch nicht. Können Sie sich an Siegesmund Percher
erinnern, dessen Asche jetzt auf dem Waldfriedhof ruht? Sicherlich haben Sie
damals in der Zeitung gelesen, dass er eines Morgens, noch in der ersten
Dämmerung, im Bett eine Zigarette angezündet hatte und gleich wieder
eingeschlafen war. Wer weiß, was er noch geträumt hat? Die Feuerwehr jedenfalls
hat ihn, oder besser, was von ihm übrig blieb, dann weggebracht.
Nein, ich rauche nicht vor dem Aufstehen.
Hier, im Krankenzimmer des St. Josef-Hospitals, darf man allerdings
überhaupt nicht rauchen. Auch dann nicht, wenn man sich mühsam vom Bett an den
Tisch
geschleppt hat. Aus Prinzip
schieben sie einen auch nicht ins Raucherzimmer. Als ich noch
beide Beine hatte, konnte ich
allein dorthin gehen, ohne viel zu fragen.
Das muss man erleben, die Atmosphäre im Raucherzimmer eines Hospitals! So
zwischen
genießenden Menschen zu sitzen,
sich ganz dem Dunst vor Augen und Nase hinzugeben
- das habe ich mir alle 60 bis 80
Minuten gegönnt, die Zeit zwischen Mitternacht und
6 Uhr morgens ausgenommen. Oft
waren wir ganz still, beinahe meditativ. Man kann gut
bei rauchender Pfeife oder
wohlriechenden Zigaretten meditieren, letzteres am besten, wenn
man eine an der anderen anzündet.
Eine Zigarette allein langt nicht, wenn man ernsthaft
in sich gehen will.
Oft haben wir auch miteinander geulkt, uns mit Vorliebe makabre Witze
über Raucher und Nichtraucher erzählt. Es gibt ganz gute. Etwa zur Frage, was
eine Leiche
mit ihrer gesunden Lunge anfängt.
Eine scherzhafte Frage natürlich. Ein mir unvergessener
Mitpatient, den sie schon zweimal
am linken Lungenflügel operiert haben, hatte immer wieder Spaß daran, die
Aufschrift auf seiner Zigarettenschachtel zu verkünden: „Der Gesundheitsminister
warnt: Rauchen schadet der Gesundheit!“. Wir haben uns zugelacht.
Seit einer Woche aber liege ich wehrlos im Krankenzimmer, festgenagelt
so zu sagen. Sie hoffen, ich werde es mir hier abgewöhnen. Mein Bettnachbar,
auch einer mit Beinstummel, meint, dass Sie bei uns die Wundheilung mit Absicht
verlangsamen. Fanatischen Nichtrauchern ist alles zutrauen.
Aber ich werde ihnen beweisen, dass man auch auf einem Bein standhaft bleiben
kann.
© Werner Hadulla
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