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Beamtengeschichte von Werner Hadulla

 

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Der Schreibtisch

 

Ja richtig, mit einem Schreibtisch fing es an, mit einem Büroschreibtisch. Wie war das noch,

als ich in meiner Behörde antrat?

Ich hatte eine Sekretärin, eine Sitzgarnitur, ein Telefon, einen Papierkorb. Das Wichtigste

fehlte: der Schreibtisch. Er stand zusammen mit dem passenden Schrank zwei Stockwerke höher.

 "Den bekommen Sie, mit einem strapazierfähigen Kunststoffbelag. Sterzenbach hat darauf Nüsse geknackt", hatte mir ein Amtsrat des Betriebsbüros eröffnet, "übrigens ein Ekel, der Sterzenbach.

Wir sind froh, dass er weg ist."

Ob sie nach meiner Pensionierung von mir ähnlich reden werden? Zunächst freilich musste ich

noch ein paar Jahrzehnte arbeiten. Und dazu braucht man in der Verwaltung mehr als

anderswo einen Schreibtisch.

"Bringen wir ihn einfach runter", schlug ich meiner Sekretärin vor, "wir können den Möbellift

nehmen, das Ganze braucht keine fünf Minuten." Sie schüttelte den Kopf: "Wollen Sie sich mit der Verwaltung anlegen? Der Schreibtisch muss von Referat I/6 freigegeben und den Schreinern transportiert werden." Sie besuchte eine Kollegin im Betriebsbüro, wo sie erfuhr, dass andere Möbeltransporte Vorrang hatten.

Am nächsten Morgen, dem dritten meiner Behördenlaufbahn, wurde ich zu meinem Abteilungsleiter zitiert. "Wo bleibt Ihre Aufzeichnung über die Filmpreise?" Er war Choleriker, man hatte mich vor ihm gewarnt. Rot angelaufen, war er bereit, mir gute Sitten beizubringen.

"Ich habe keinen Schreibtisch, Herr Ministerialdirektor." Die Röte in seinem Gesicht verdunkelte

sich um einen Grad: "Wa-a-a-ss, Sie haben keinen Schreibtisch?"

"Die Verwaltung hat mitgeteilt, dass ich erst in ein paar Tagen dran bin.“ Ich wurde ohne weitere Bemerkung entlassen. Als ich ging, griff er zum Telefon.

"Das ist nicht gut gelaufen." Frau Rammbaum, meine hauserfahrene Sekretärin, schüttelte

abermals den Kopf: "Wedekind und Smartling können sich nicht riechen." Wedekind war mein Abteilungsleiter, Smartling sein Pendant an der Spitze der Verwaltung. "Über Ihren Schreibtisch

streiten jetzt zwei Ministerialdirektoren. Sie werden ihn bald haben, aber die Verwaltung wird

Ihnen das nie verzeihen."

Tatsächlich steckten kurz darauf zwei korrekt gekleidete, sichtbar erregte Beamte ihren Kopf

in mein Zimmer, zunächst der Chef des Betriebsbüros, kurz danach sein Stellvertreter. Eine

halbe Stunde verging, dann erschien ein Drei-Mann-Trupp: "Wir holen Ihren Schreibtisch.

Wo kommt er hin, und der Schrank?"

Jetzt lief alles so routiniert ab, wie Ämter es lieben. Der Schreibtisch wurde nach 10 Minuten

auf Rollen angefahren, dann behutsam abgesetzt. 15 Minuten später folgte der Schrank.

Er wurde mit fachmännischer Sorge aufgestellt, ins Lot gebracht, unter den Stellwänden verkeilt.

 Das nach den rheinisch gefärbten Anweisungen des kommandierenden Schreiners.

Darüber vergingen 35 Minuten.

„Wie langsam sie gearbeitet haben,“ bemerkte ich zu Frau Rammbaum, „und drei Mann hoch!

Bei meiner früheren Arbeit …“ Sie unterbrach mich: "Bei uns ist das eben anders, wenn Sie

sich Mühe geben, werden Sie es lernen."

Am frisch gelieferten Schreibtisch rechnete ich vor mich hin: je drei Minuten von zwei Ministerialdirektoren, je 10 Minuten eines Referatsleiters und seines Stellvertreters, schließlich

35 Minuten für das Transporter-Team, das waren, Gehälter, Sozialabgaben, Krankheiten, Urlaub,

Kuren und Weihnachtsgeld eingerechnet, rund 280 DM. Wie gesagt, ich war Behördenneuling und brauchte, um mich von diesem Erlebnis zu erholen, einen starken Kaffee. Also nahm ich den Lift

zur Kantine.

Dort saßen die drei Transporteure bei einem Glas Kölsch. Expertenhaft besprachen sie das

Samstagsspiel von Schalke 04. Ich trank meinen Kaffee und ging. Sie hatten inzwischen ein

neues Kölsch geholt und der 1. FC Köln war an der Reihe. Es gab viele Bundesligavereine.

Auf dem Rückweg zum Büro revidierte ich meine Kalkulation: der Transport von Schreibtisch und Büroschrank vom vierten zum zweiten Stock hatte mindestens 320 Mark gekostet.

Das war vor 30 Jahren. In heutigen Zahlen wäre es mehr als das Doppelte. In meiner

Behördenlaufbahn bin ich ein paar Mal umgezogen, und habe dabei ähnliche Erfahrungen gemacht.

Frau Rammbaum hat Recht behalten, ich habe das Staunen verlernt.

 

© Werner Hadulla

 

 

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