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Wera und James
Krüss
Vorwort:
Dieses Buch von James Krüss, einem
bekannten Kinderbuchautor,
wurde mir kürzlich von einer
liebwerten Freundin geschenkt.
Sie wusste, dass ich diesen Autor
persönlich kannte.
Mit James Krüss verband mich eine
außergewöhnliche
Freundschaft.
Bei Wera möchte ich mich mit dem nachfolgenden Brief ganz herzlich
bedanken und hierbei die
Gelegenheit nutzen, alle Eltern, Großeltern
und Urgroßeltern zu motivieren,
sich dieser Literatur anzunehmen.
Die Kinder und Enkelkinder werden
sich mit glänzenden Augen
bedanken und Sie bitten nimmermehr
beim Vorlesen abzubrechen.
Erschienen im Friedrich
Oetinger-Verlag
ISBN 3-86615-108-X
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Liebe Wera,
auf die Frage: „Gibt es das Paradies?“ antwortete James Krüss einmal:
„Ja!,
es heißt nur manchmal anders.“
So war er, der James, dessen Form des gegenseitigen Geschichtenerzählens für
mich einmalig war. Beim Lesen seiner (Kinder?)Bücher spürte ich förmlich seine
Freude am Wort in seiner unverkennbaren Wortmelodie. Seine Gabe Geschichten zu
erzählen, vereinigt in Prosa und Versen, die nicht nur Kinder in seinen Bann
zogen, waren eine Denkweise, die bei allen Lesern und Zuhörern Neugier, Respekt
und Wissensdurst hervorrief. Er bewahrte sich etwas, was wir in der heutigen
Zeit zu verlieren scheinen. Nämlich Erlebtes und Erfahrenes an die nächste
Generation behutsam und doch spannend weiterzugeben. James Krüss benutzte die
Sprache als wesentliches Mittel der Verständigung und damit sehr viel mehr als
mit dem heute gängigen Begriff Kommunikation. Er nutzte den Reiz des Fabulierens
in einer ganz persönlichen Note, in dem er Humor und Lebenserfahrung zu einer
sehr feinen Ironie zusammenfügte.
So hast Du, liebste Wera, es fertig gebracht, mit deinem Überraschungspäckchen
und dessen wunderbaren Inhalt mich in einen Zeitraum der Vergangenheit zurück zu
führen, der mir beileibe nicht mehr gegenwärtig war.
Diesen wunderbaren Dichter James durfte ich aufgrund der Tatsache kennen lernen,
dass ein „fauler“ Redakteur der Zeitung DIE WELT wenig Lust verspürte eine
Homestory über den auf Gran Canaria lebenden Dichter Krüss zu schreiben. Das war
1977. Im Fernsehen lief damals gerade die mehrteilige Verfilmung seines Buches
„Timm Thaler oder das verkaufte Lachen“ in mehreren Teilen. Ich erinnere mich
noch gut - es war ein Straßenfeger. Keiner, egal ob Groß ob Klein, wollte diese
märchenhafte Serie im Abendprogramm verpassen. James profitierte von dieser
Verfilmung und es wurde in vielen Medien auf den Dichter und seine Bücher
hingewiesen. So konnte sich auch DIE WELT dem nicht entziehen, um über diesen
Mann zu berichten.
Zu dieser Zeit plante ich gerade mit Freunden einen Segeltörn rund um Gran
Canaria. Und so bot es sich an, dass ich mich bereit erklärte, diese Reportage
zu übernehmen. Es sollte meine erste große Reportage sein, die ich in der Zeit
meines Volontariats bei der Zeitung schreiben durfte.
James Krüss lebte in dem kleinen Dorf La Calzada, einem urigen Ort an der
untouristischen Nord-Westküste von Gran Canaria, direkt an der Felsküste. Ich
sehe ihn noch vor mir, wie er mich und
die
gesamte Bootscrew am frühen Nachmittag so herzlich und gastfreundlich in Empfang
nahm. Er hatte sich auf unseren Besuch gut vorbereitet. In seinem paradiesischen
Garten war ein großer runder Tisch für uns bereitstellt, gedeckt mit kaum
vorstellbar kulinarisch-canarischen Spezialitäten. Wir staunten nicht schlecht
und uns umgab eine Atmosphäre, die heimeliger nicht sein konnte. Sein Humor,
gespickt mit viel Ironie und Spitzfindigkeiten, ließ diesen Tag für uns ein
unvergessliches Erlebnis werden. Die Wortspielereien in seinen ABC-Gedichten
hatten es uns besonders angetan. So waren wir stolz und voller Freude als er
unserer Crew einen von ihm handgeschriebenen Entwurf zu einem Gedicht über eine
Yacht - natürlich in ABC-Form - überreichte.
(Und was mich jetzt am meisten erfreute: ich fand es in diesem Buch wieder.) Und
das geht so:
Die unberechenbare Yacht
Zantens
Yacht
Xanthippe
War
Völlig
Unberechenbar,
Trieb
Stets
Regelwidrig
Quer,
Prosperierte
Oft
Nicht
Mehr,
Landete
Kreuz-
Jammerbar
Im
Haiti-Hafen
Gar
Fuhr
Entgegenkreuzend
Dann
Cubas
Blumenküste
An.
Zusammengefasst sieht es dann so aus:
Zantens Yacht Xanthippe war
völlig unberechenbar,
trieb stets Regelwidrig quer,
prosperierte oft nicht mehr,
landete kreuz-jammerbar
im Haiti-Hafen gar,
fuhr entgegenkreuzend dann
Cubas Blumenküste an.
Ich weiß es noch genau, wir haben einen Bilderrahmen gekauft und das wertvolle
Stück Papier in
der
Kajüte unseres Segelbootes aufgehängt. Es sollte als Talisman dienen und uns vor
Mast- und Schotbruch schützen. Nun frage ich mich heute: ob es wohl noch immer
dort hängt?
Am nächsten Tag habe ich ihn dann noch einmal allein besucht, um die Reportage
zu schreiben.
Aus
diesem Gespräch heraus entwickelte sich nicht nur eine gelungene Story, sondern
auch eine innige Freundschaft, die über viele Jahre bestehen sollte. Wir haben
uns bis zum Jahr 1996 nie aus den Augen verloren und anhaltend regen Kontakt
gepflegt. Umso mehr traf mich sein Tod wie ein Blitz. Ich hatte einen guten
Freund verloren. Einen Freund, der es verstanden hatte seine schwere Krankheit
anzunehmen und immer an das Leben danach geglaubt hat. Er spürte seine
Vergänglichkeit und sagte es auch einmal mit diesem Satz: „Eigentlich lebe ich
ja noch eine ganze Weile über den Tod hinaus … als Figur. In dir! Und in den
Büchern.“
Liebe Wera, hab vielen, vielen Dank für dieses Buch. Es hat Erinnerungen an
einen Freund geweckt, den ich so sehr geschätzt habe.
„Mein Urgroßvater und ich“, geschrieben von einem Mann, der seine
Urgroßmutter immer „Obergroßmutter“ nannte und mit diesem Wort eine ganz
besondere Sensibilität für die Menschen in seinem Leben zum Ausdruck brachte,
die er von ganzem Herzen geliebt hat.
Nun höre ich auf zu schwätzen, gebe aber auch gleichzeitig zu:
Es tat mir gut in Erinnerungen zu kramen!
Viele Grüsse und lieben Dank für die Hilfe beim Aufbrechen meiner
Erinnerungslücken.
Deine Ulli
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