Unser Kühlschrank war
schon zwanzig Jahre alt. Also musste ein neuer her. Natürlich mit ökologischer
Ausrüstung. Modern und umweltbewusst.
Mein Mann und ich einigten uns aus Zeitgründen darauf, ihm den Neukauf allein zu
überlassen. Ich setzte in meinen technisch-modern denkenden Ehemann vollstes
Vertrauen. Ein Trugschluss, wie sich später herausstellte.
"Was es nicht so alles gibt!" staunte ich nicht schlecht, als der Neue
angeliefert wurde. 'Konstruktionsassistent 2008i' heißt er jetzt korrekt.
"Ultrageil, was es alles so gibt, liebe Gattin!", korrigierte er mich mit dem
Ausruf der Bewunderung.
"Diät per Internet! Ans Internet angeschlossene Kühlschränke mit
Nachlieferautomatik sind ultrahip! Sie sorgen darüber hinaus für zeitgemäße und
gesunde Ernährung. Online-Rezepte ruft er aus dem Internet ab, passend zum
vorhandenen Inhalt. Was fehlt, bestellt der Kühlschrank automatisch nach.
Lean Food on demand,
meine Liebe!"
"Internet im Kühlschrank?", staunte ich nicht schlecht und konnte mich innerlich
der unbehaglichen Frage nicht erwehren, ob das wirklich sein müßte.
Doch in den letzten Tage hatte ich immer häufiger den Eindruck, dass meinem Mann
seine selbst gewählte Diätkost nicht mehr so richtig schmecken wollte und ich
konnte mich der Frage nicht erwehren, ob es seinen fettlosen Diätfraß jetzt auch
noch digital gäbe.
Jetzt wurde mir so recht bewusst, wie gut mir gerade in diesem Augenblick eine
kräftige Erbsensuppe oder ein Schweinsbraten mit Sahnesoße behagen würden.
Insgeheim verdammte ich meine Solidaritätszusage ihn bei seinen diversen
Diätprogrammen zu unterstützen.
Schlimme Befürchtungen nagten an mir.
Was, wenn sie sich nun verbünden, dieser gnadenlose Speisenvergurker und der
Kühlschrank mit Datenautobahnauffahrt. Monatelang nur noch Magermilch und Tofu -
unvorstellbar!
Er versuchte mich mit den Gegebenheiten des neuen Gerätes von weiteren
Depressionen abzuhalten und meinte völlig euphorisch:
"Zuerst kommt die zweiwöchige Lernphase. Ein Computerchip legt inhaltlich den
Grundbestand fest. Er schlägt Alarm, wenn Verfallsdaten erreicht sind und meldet
ausgehende Lebensmittel.
Mit dieser Kühlbox
wird die Küche außerdem zur Schaltzentrale des Haushalts"
"Wie denn das?", wollte ich wissen,
"Kann das Ding Gedanken lesen?"
"Nein, aber die Chipkarte", rief er voller Begeisterung. "Der Kühlschrankinhalt
könnte zum Beispiel so aussehen: drei Flaschen Magermilch, ein Liter Kefir, vier
Tofuburger, ein wenig Superlightaufschnitt und hundert Gramm einweißreduzierte
Geflügelwurst mit Kalorienbremse."
Ich blickte säuerlich drein.
"Toll!", meinte ich dann ohne jede Überzeugung, "wenn ich das recht verstehe,
bestellt die Kiste sofort nach, was man herausnimmt?"
"So ähnlich", erklärte er,
"Zuerst programmiert der Chip das was man hineinpackt, und nach seiner Lernphase
erkennt er den gewünschten Inhalt und kauft neu ein - übers Internet."
"Aha", meinte ich nachdenklich.
Er griff sich die Gebrauchsanleitung des Gerätes und zog sich ohne jede weitere
Bemerkung in sein Arbeitszimmer zurück.
„Sehr verdächtig", grübelte ich.
In den nächsten Wochen verhielt sich mein Angetrauter äußerst seltsam und ich
hatte es schwer konkrete Schlüsse daraus zu ziehen. Weshalb nur lungerte er
ständig vor dem Kühlschrank herum? Jeden Becher Sauermilch, jede Kartusche
Schlankfood verfolgte er mit erregten, geradezu brennenden Blicken.
Welch abtrünnige Gedanken sich wirklich dahinter versteckten, wurde mir erst
durch eine groteske Entdeckung klar: Ich fand eine Flasche Wodka im Gemüsefach!
Ein primitiver Versuch mich zu hintergehen. Ich griff die Todes-Diät-Droge
kopfschüttelnd und versteckte sie an einen geheimen Ort.
Als die nächste Lieferung übers Internet eintraf, bestand mein Mann ausdrücklich
darauf, die Sachen selbst im Kühlschrank einzusortieren.
Bedenklich! - wo es ihm doch sonst ein Gräuel war. Spätestens hier hätte ich
stutzig werden müssen. Doch ich war nicht wachsam genug.
Als ich mir vor dem Zubettgehen noch einen Joghurt gönnen wollte, war ich wie
vom Blitz getroffen: Sixpacks in unserem Kühlgerät! Wieder eine Flasche Wodka
und Bierflaschen! Rauchfleisch und Ölsardinen in der Frischebox!
Mikrowellen-Hamburger überall!
"Erkläre mir das mal bitteschön" schrie ich hysterisch vor dem geöffneten
Kühlschrank.
Er erschien sofort, verzog sein Gesicht zu einem Bogart-Grinsen und trug seinen
alten, mir so
verhaßten Bademantel.
Er sah unverschämt besoffen aus.
"Mein Schätzchen", lallte er. "Was kann ich für dich tun?"
„Wie kommt dieser Müll in den Kühlschrank?", empörte ich mich keifend. „Fastfood
und üble Drogen ..."
"Audomadisch bestellt!", entgegnete er grinsend. "Online und selbsttätig. Cooly
und ich mögen uns eben. Cooly hat gerne Allohol in seinem Bauch und Schweinefraß
und annere schaaarfe Sachen!"
Meine Blicke trafen ihn messerscharf. Wochenlange Hungergefühle, die ich aus
lauter Solidarität ertragen musste, machten mich zornig.
"Du musst nicht glauben, dass du damit durchkommst, denn du wolltest doch
unbedingt Diät leben und das wirst du jetzt auch durchziehen!", brüllte ich ihn
an. "Ich werde auf der Stelle den Bestellspeicher löschen!"
"Ja!", meinte er kühl. "Versuchs doch mal!" Und ich versuchte es.
Passwort? prangte auf dem TFT-Display. Passwort?
Nun klingelte es auch noch an der Haustür.
"Online Supplies Poppelmann! Ihre neue Lieferung!", hörte ich den Boten tönen.
Flaschen klirrten, es
roch nach stark
gewürzten Lebensmitteln.
"Sag mir sofort das Passwort!", schrie ich aus der Küche wie von Sinnen. "Ich
werde diesem Bestellwahnsinn ein Ende machen!"
"Das glaube ich kaum", meinte er mit einem verschmitzten Lächeln, und biß ein
Stück von einer ekelhaft fetten Mettwurst ab. Den Bissen spülte er mit Bier
herunter und rülpste dann auch noch.
Wütend grub ich meine diamantgehärteten Fingernägeln tiefe Rillen in das
TFT-Display. Ohne Ergebnis.
"Selbstheilende Oberfläche", rief der Gestrauchelte süffisant.
"Hochtechnologie!"
Verzweifelt schlug ich zuerst auf die Kühlkiste, dann auf meinen Mann. Der aber
wich meinen Hieben erstaunlich geschickt aus.
"Du weißt, dass du jetzt Psychoalarm ausgelöst hast?", tönte er.
"Der Adrenalinsensor des Kühlschranks hat dich an die Männer im weißen Kittel
verpfiffen!"
In der Tat. Mit heulender Sirene raste ein Krankenwagen heran. Ich umklammerte
verwirrt den Kühlschrank, jedoch die Herren im weißen Kittel pflückten mich
professionell dort ab. Eine Hochdruckspritze pumpte mich voll mit Diazepan. Rosa
Häschen hoppelten fortan durch mein Blickfeld.
"Der dritte Fall von Hightechwahn in dieser Woche!", meinten die Pfleger.
Zarte Wölkchen des Vergessens umhüllten mich, erinnerte mich doch noch schwach
daran, meinen Mann als haarigen Werwolf sehend, wie er hinterhältig grinsend und passworteingebend
eine Falsche Bier dem Kühlschrank entnahm.
Meine Rache:
Als ich aus der Klinik zurückkehrte kaufte ich einen sprachgesteuerten
Kühlschrank,
der sich nur über
meine Stimmlage öffnen ließ. Den ökologisch neuen Alten ließ ich kurzerhand
verschrotten.