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One night stand
Es war Mai und die Sonne schien wohlig warm an
diesem herrlichen Morgen. Ich hatte gerade meine neue Wohnung im Parterre
bezogen und pflanzte Margeriten, Petunien und
Geranien in die Blumenkästen für die Terrasse. Fliederduft durchzog die Luft.
Ich war glücklich und allein.Plötzlich stand er vor mir. Ein toller Typ ! Gut
gewachsen, mit athletischem Körperbau und sympathischer Ausstrahlung.
Schweigend sah er mich mit großen Augen an. Er erinnerte mich an Jemand, den ich
vor Jahren einmal gut gekannt und sehr gern gehabt hatte. Sollte mir solch eine
Liebe noch
einmal begegnen? Sofort hatte sich eine gewisse Vertrautheit zwischen uns
eingestellt. Ich
mochte ihn auf Anhieb und ich spürte, dass auch
ich ihm gefiel. Um ihn nicht gleich abzuschrecken, versuchte ich, ihm meine
ganze Aufmerksamkeit zu widmen und ein unverfängliches Gespräch in Gang
zubringen.
„Wo kommst du denn her ?“ Er gab keine Antwort.
„Was machst du auf meiner Terrasse?“ Wieder schwieg er.
Ich musste ihn irgendwie aus der Reserve locken, dachte ich, und mir fiel ein,
dass Liebe durch
den Magen geht: „Soll ich dir ein Frühstück
machen? Du siehst aus, als hättest du Hunger !“
Ohne auf eine Antwort zu warten ging ich ins Haus, um in der Küche ein paar
Brote zu richten. Er folgte mir spontan, schaute neugierig in jeden Winkel
meiner Wohnung, um dann abwartend an der Küchentüre stehen zu bleiben. Mir war
so, als wären ihm die Räumlichkeiten in diesem Haus nicht fremd, als ob er
früher schon mal hier zu Gast gewesen sei. „Warst du schon einmal da ? Hier in
dieser Wohnung?“ fragte ich deshalb verwundert. Er tat, als hätte er auch diese
Frage nicht verstanden.
„Mehr hab ich leider nicht vorrätig“, erklärte ich, als ich ihm ein paar
Butterstullen vorsetzte.
„Wenn ich gewusst hätte, dass ich Besuch bekomme,
hätte ich für Wurst- und Käse gesorgt.“ Er hatte tatsächlich einen gesegneten
Appetit, denn er verputzte das angebotene Frühstück bis auf den letzten Bissen..
Als ich auf die Terrasse zurückging, um das Pflanzen der Blumen zu beenden,
folgte er mir nach draußen, blieb ständig in meiner Nähe und verfolgte
interessiert meine gärtnerischen Tätigkeiten. Nachdem alle Blumen in Töpfen,
Schalen und Kästen versorgt waren, ging ich zurück ins Wohnzimmer und machte es
mir vor dem Fernseher gemütlich. Sofort setzte er sich, ohne dass ich ihn dazu
aufgefordert hatte, dicht neben mich auf das Sofa und verfolgte stumm, aber
sichtlich interessiert, das laufende Programm. Das Fußballspiel hatte es ihm
besonders angetan.
„Typisch Mann“ ging es mir durch den Kopf. Ich spürte die Wärme seines Körpers,
der bei jedem Atemzug leicht vibrierte. Ich wies ihn jetzt energisch darauf hin,
dass er nicht bei mir bleiben könne. „Du hast doch sicher eine Familie die auf
dich wartet“ sagte ich und öffnete unmissverständlich die Terrassentür. „Geh
doch nach Hause, man wird dich bestimmt schon vermissen!“
Er aber machte keinerlei Anstalten, meiner Aufforderung zu folgen. Er blinzelte
mir nur zu. In
seinem stummen Blick lag Vertrauen und
Zärtlichkeit.
Am späten Abend zogen von Westen her dunkle Wolken auf, die ein Unwetter
erwarten ließen.
Bald prasselten unter Blitz- und Donnerschlägen
große Hagelkörner auf die Terrasse, die sich schnell in einen spritzenden See
verwandelte.
Ich hatte von jeher große Angst vor Gewittern und war froh, jetzt nicht allein
zu sein. Es tat gut, Jemand in der Nähe zu wissen.
Deshalb ließ ich es auch zu, dass er sich erneut zu mir setzte und sich eng an
mich schmiegte. Als ich ihn zu streicheln begann, schien er es mit allen Sinnen
zu genießen. Er streckte sich, machte seine Beine lang und bettete schließlich
seinen Kopf sanft in meinen Schoß. Draußen tobte das Unwetter weiter. „So kann
ich dich nicht wegschicken“ sagte ich leise zu ihm. „Auch ein Regenschirm würde
dir nichts nützen. Du würdest durch und durch nass und dir mit Sicherheit
einen Schnupfen holen. Meinetwegen kannst du heute
über Nacht bei mir bleiben, aber morgen musst du auf jeden Fall wieder gehen.
Keine Widerrede! Abgemacht?“ Er begriff sofort und steuerte siegessicher auf
mein Bett zu.
Ich schlief in jener Nacht nicht allein, aber ich schlief auch
nicht sehr gut. Immer wieder wurde ich durch seine sanften Berührungen geweckt
oder wenn sein Schnurrbart mich kitzelte.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, lag er leise schnurrend in meinem Arm, der
Kater von nebenan.
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