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Wotans Himmelsflucht
Ich möchte euch heute über ein
weiteres Erlebnis berichten, das dem kleinen Heiner in seinen Kindheitstagen
widerfahren ist. Ihr erinnert euch vielleicht schon an ihn aus der Geschichte,
in der ich erzählt habe, wie er zu seinem Spitznamen Pille gekommen ist. Das
Geschehen dieser Geschichte spielt in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Es
hatte Krieg in Deutschland gegeben. Viele Häuser waren durch Bomben zerstört,
wie ihr dies heute fast täglich in den Fernsehnachrichten aus anderen Ländern
beobachten könnt. Viele Familien waren auseinander gerissen, die Väter und
Brüder als Soldaten im Krieg gefallen. Viele Familien hatten kein Zuhause mehr,
hatten alles Hab und Gut verloren und wussten oft nicht, wovon sie leben
sollten. Heiner und seine Familie hatten mehr Glück gehabt als viele andere.
Sein Vater war schon bald nach dem Krieg heimgekehrt, wenn auch verwundet. Ihr
früheres Haus war zwar auch durch Bomben dem Erdboden gleich gemacht worden,
jedoch konnten sie froh sein, eine Bleibe auf einem Bauernhof außerhalb einer
großen Stadt gefunden zu haben. Obwohl auch sie fast alles verloren hatten, so
hatten sie wenigstens zu essen, wenn auch Heiner immer Hunger hatte. Heiner
wuchs ohne Spielkameraden auf, denn da, wo er wohnte, gab es keine anderen
Kinder. Es gab jedoch Pferde, Kühe, Hunde, Schafe und Schweine, die er alle mit
Namen kannte, dazu noch eine Menge Hühner und Gänse. Heiner kannte auf dem Hof
jeden Winkel, kannte jedes Nest, wo Hühner ihre Eier legten, selbst diejenigen,
die die Bäuerin noch nicht entdeckt hatte. Schon als kleiner Junge versuchte
Heiner, sich auf dem Bauernhof nützlich zu machen, und der Bauer ließ ihm hin
und wieder ein Butterbrot (mit selbst gemachter Butter!) oder auch einmal ein Ei
oder ein Stück Wurst zukommen. Oft und gerne spielte Heiner auch in dem nahen
Wald. Sein Vater hatte ihm in einer alten Buche ein Baumhaus gebaut, wo Heiner
viele Nachmittage verbrachte, um die Tiere im Wald zu beobachten. Auch hielt er
Ausschau nach Elfen, Waldgeistern und im nahen Teich nach Nymphen, von denen ihm
sein Onkel Paul erzählt hatte, der als Monteur viel von der Welt gesehen hatte.
Onkel Paul wusste auch immer von gefährlich wilden Tieren und Fabelwesen, die in
den Wäldern hausten, und aufregenden Abenteuern mit ihnen zu berichten. Diese
Geschichten spukten Heiner oft im Kopf herum, wenn er in seinem Baumhaus saß
oder durch den Wald streifte auf der Suche nach Abenteuern.
Von allen Tieren, die mit Heiner auf dem Bauernhof lebten, war ihm Wotan das
liebste. Wotan war eines der sechs Pferde, die auf dem Hof ihre Arbeit
verrichteten, wie zum Beispiel einen Pflug oder eine Egge über die Felder
ziehen, schwer beladene Pferdekarren zum Markt transportieren oder auch sonntags
den Bauer und die Bäuerin in einer Kutsche zur Kirche fahren. Wotan war achtzehn
Jahre alt, braun gescheckt mit weißen Flecken, eine große weiße Blesse zierte
seinen Nasenrücken, und von weitem sah es aus, als dass er über seine
Vorderbeine weiße Kniestrümpfe gezogen hätte. Sein Schwanz war stets ordentlich
geflochten, eine Aufgabe, die meistens Heiner oder Alwin, der Knecht,
übernahmen. Als Erstes fielen jedoch jedem Beobachter die heiteren Augen auf,
die immer den Eindruck erweckten, dass Wotan etwas Lustiges im Schilde führte.
Wotan war ein Pferdeclown, was wohl daran lag, dass er in einem Zirkus zur Welt
gekommen war, und er liebte Heiner über alles. Er ließ sich von ihm gerne
füttern, mit Gras, Rüben, Möhren, auch mal mit einem Stückchen Zucker. Obwohl
Heiner zu dieser Zeit gerade erst seinen achten Geburtstag gefeiert hatte,
durfte er bereits Wotan auf den Feldern bei der Arbeit begleiten. Auch ließ
Wotan den kleinen Heiner als Einzigen auf sich sitzen oder reiten, während er
sich sonst bei derartigen Versuchen stets äußerst unwillig gab. Bauer
Preutenborbeck zeigte sich sehr zufrieden mit der Arbeit von Heiner und Wotan,
und er fragte Heiners Mutter, ob sie etwas dagegen hätte, wenn er Heiner die
etwas weiter entlegenen Felder hinter dem Hespertal eggen ließe, denn sein
Knecht war erkrankt und andere Arbeitskräfte standen nicht zur Verfügung.
Während die Mutter noch Zweifel anbrachte wegen des weiten Weges, sage Heiner
nur: „Klar, machen wir, Wotan und ich.“ Und pfiffig fügte er noch direkt die
Frage an: „Bekomme ich auch ein Butterbrot?“ „Wenn du mir hilfst wie ein Knecht,
sollst du auch einen guten Lohn dafür erhalten“, antwortete der Bauer. „Kannst
du morgen anfangen?“ „Kann ich“, erwiderte Heiner, „bis morgen.“
Am nächsten Tag konnte Heiner das Ende in der Schule gar nicht abwarten. Einen
ganzen Nachmittag mit seinem heiß geliebten Wotan! Diese Arbeit würde ihm Freude
machen. Und als er sich beim Bauern meldete, gab der ihm einen Korb mit Äpfeln,
vier dicken Scheiben selbst gebackenem Stuten und einem Stückchen Blutwurst.
„Damit du mir unterwegs nicht verhungerst“, schmunzelte er und fügte noch an:
„Komm bitte nicht zu spät zurück. Ich möchte nicht, dass du im Dunklen noch
unterwegs bist, und ich möchte vor allem keinen Ärger mit deinen Eltern
bekommen.“ Heiner machte sich mit Wotan auf den Weg. Die Sonne brannte vom
Himmel, auf dem zu bestellenden Feld ackerten sie fleißig und hatten bald einen
großen Teil des Feldes bearbeitet. Deshalb konnte es nicht verwundern, dass
Heiner müde wurde, vor allem auch hungrig, und im angrenzenden Wald ein
schattiges Plätzchen suchte, um ein wenig auszuruhen. Bald fand er einen solchen
Ort unter einer dicken Eiche. Er spannte Wotan aus, und sie legten sich beide
ins Moos. Ausgehungert vertilgte Heiner die Brote und fütterte Wotan mit den
Äpfeln. Dann bettete er seinen Kopf weich auf Wotans Hals, kuschelte sich an ihn
und nickte ein. Er schlief, bis er die weichen Nüstern seines Freundes in seinem
Gesicht spürte, der ihn darauf aufmerksam machen wollte, dass die Sonne schon
dabei war, hinter dem Horizont abzutauchen und dass es Zeit wurde heimzugehen.
Schnell machten sie sich auf den Heimweg. Der Bauer lobte Heiner für das
geleistete Tagewerk und bat ihn, am nächsten Tag weiterzumachen.
Der nächste Morgen in der Schule verging wie im Fluge. Heiner rannte nach
Schulschluss schnell nach Hause, holte Wotan von der Weide, legte ihm sein
Zaumzeug an, und beide machten sie auf den Weg, ihre Arbeit auf dem Feld fertig
zu stellen. Als sie es geschafft hatten, suchten sie wieder das schattige
Plätzchen unter der Eiche auf, um sich vor dem Heimweg noch ein wenig
auszuruhen. Heiner aß die Brote, die dick mit Butter und Rübenkraut bestrichen
waren, und Wotan ein paar Äpfel, die die Bäuerin auch wieder in den Korb gelegt
hatte. Während sie noch im Moos lagen, Heiner von aufregenden Abenteuern und
Wotan von einem Pferdeparadies träumten, zogen Gewitterwolken auf, und in der
Ferne ließ sich bereits ein Grummeln hören. Deshalb nahm Heiner schnell die
Zügel, und sie brachen unverzüglich auf, um noch trocken den Hof zu erreichen.
Unterwegs kam ein heftiger Sturm auf, und bald begann es auch wie aus Kübeln zu
gießen. Sie gingen am Waldrand entlang. Die Bäume beugten sich im Wind, und
Heiner vermeinte hinter den Bäumen und Sträuchern die Geister des Waldes zu
entdecken, die ihn lockten und riefen: „Hierher .., komm zu uns .., hier hast du
Schutz. Wir tun dir nichts … Komm doch zu uns!“ Und dabei lachten sie Furcht
erregend und trieben miteinander Schabernack. Es wurde zusehends düsterer.
Heiner fürchtete sich ein bisschen und war froh, seinen vierbeinigen Freund bei
sich zu haben. Wotan trabte unbeirrt heimwärts, ohne sich vom Wetter und den
Geistern beeindrucken zu lassen, und zog Heiner hinter sich her. Als sie den
Bauernhof erreichten, bedankte sich der Bauer bei Heiner und sagte: „In der
Küche stehen noch ein paar Eier, nimm sie mit nach Hause. Und lass Wotan noch
draußen, ich brauche ihn noch.“ Heiner holte sich die Eier und lief schnell
heim, wo ihn seine Mutter schon sorgenvoll erwartete. Als sie gerade anfangen
wollte, mit ihm zu schimpfen, weil er erst im Dunklen nach Hause gekommen war,
sah sie den Korb mit den Eiern und rief freudestrahlend: „Oh, dann können wir
heute Abend Pfannkuchen essen. Ich habe heute im Wald Blaubeeren gesammelt. Da
wird sich dein Vater freuen.“ Sie lief in die Küche, und bald schon verbreiteten
sich wundervolle Düfte von dort durch die Wohnung. Als Heiners Vater nach Hause
kam, war die Freude über die herrlich duftenden Pfannkuchen jedenfalls groß, und
die Familie stürzte sich mit Begeisterung auf die köstliche Mahlzeit. Heiner
konnte in dieser Nacht nicht gut schlafen. Er hatte offensichtlich einen
Pfannkuchen zu viel gegessen, der nun in seinem Magen rumorte. Das Unwetter
tobte noch immer ums Haus, und irgendwie fühlte er sich beunruhigt. Er hatte das
Gefühl, dass eine Gefahr lauerte, aber was für eine und für wen?
Schließlich fiel Heiner in einen unruhigen Schlaf, in dem ihn böse Träume
quälten. Er sah im Traum Wotan über die Wiese am Waldrand galoppieren, verfolgt
von drei Männern, die ihn offensichtlich einfangen wollten. Immer wieder
versuchten sie ihn zu stellen, er jedoch wehrte sich, sprang sie mit erhobenen
Vorderbeinen an und riss erneut aus. Tief erschrocken wachte Heiner auf, stellte
fest, dass es 4 Uhr morgens war, und plötzlich fiel ihm ein, dass er am Tage
zuvor den Korb unter der Eiche vergessen hatte. „Wollte Wotan den Korb holen?“
fragte er sich, „und ist er dabei in die Falle von Pferdediebe geraten, die in
der Gegend zurzeit ihr Unwesen treiben?“ „Ich muss Wotan helfen, er ist in
Gefahr!“ sagte er laut, und zog sich leise an, um seine Eltern nicht zu wecken.
Er schlich die Treppe hinunter, öffnete behutsam die Haustür, damit ihn niemand
hören konnte, und lief so schnell ihn seine Beine trugen in den Stall, um nach
Wotan zu sehen. Doch er fand ihn nicht in seiner Box, und als er noch atemlos
nachdachte, was jetzt wohl zu tun sei, hörte er den Bauern hinter sich fragen:
„Was machst du denn hier? Aber wenn du schon hier bist, weißt du, wo Wotan sein
könnte?“ „Ich könnte es mir denken“, antwortete Heiner, und ich werde nachsehen
gehen.“ Und ehe der Bauer sich versehen hatte, war Heiner schon auf dem Weg ins
Hespertal. Das Gewitter hatte sich noch immer nicht verzogen. Es blitzte und
donnerte draußen noch wie am Vortag, und es regnete immer noch, ziemlich stark
sogar. Heiner überlegte: „Soll ich den kürzesten Weg durch den Wald nehmen ..?
Ja, natürlich … ich muss mich beeilen … aber die Geister … ich darf mich nicht
fürchten …“ Er nahm allen Mut zusammen und lief - so schnell er konnte - in den
dunklen Wald hinein. Sein Mut wurde auf eine harte Probe gestellt: hinter jedem
Baum, hinter jedem Strauch huschte es, von überall her hörte er Stimmen nach ihm
rufen, alle Waldgeister schienen sich versammelt zu haben, um ihm Furcht
einzujagen. Sogar der listige Fuchs, der sonst immer neugierig seinen Kopf aus
seinem Bau heraus steckte, wenn Heiner dort vorbei kam, ließ nur seine Nase
sehen, weil es so unheimlich heute im Wald war und fast alles Geister
Schabernack miteinander trieben. Als Heiner sich dem Weiher näherte, der
inmitten des Waldes lag, glaubte er, dort ein Furcht erregendes Wesen, einem
Faun sehr ähnlich, wie er in seinem Sagenbuch abgebildet war, im Lichte eines
Blitzes zu erkennen. Ohne zu überlegen, sich der drohenden Gefahr jedoch bewusst,
nahm er den Ast des nächsten Baumes, einer alten Buche, und kletterte an ihm
hoch. In sicherer Höhe ließ er erst einmal seinen Atem zur Ruhe kommen, bevor
seine Augen versuchten, sich einen Weg durch das Dunkel zu bahnen und die
lauernden Gefahren auszumachen. Der Faun stand noch immer am Rande des Weihers
winkte ihm zu und rief hinauf: „Komm doch, spring, oder bist du ein Feigling?“
Heiners Furcht wich langsam der Erinnerung, die ihn in den Wald getrieben hatte.
Wotan war in Bedrängnis! Er wollte ihm doch Beistand leisten, und daher sprang
er - ohne weiter auf den Faun zu achten - vom Baum herunter, wobei er sich sein
Knie aufschlug, und rannte weiter, so schnell ihn seine Füße tragen konnten und
ohne auf die Gefahren zu achten,. Noch nie zuvor, so kam es ihm vor, war er so
schnell gelaufen, und ihm wurde erst bewusst, dass er sein Ziel, den Rastplatz
unter der Eiche erreicht hatte, als er Stimmen hörte und etwas entfernt die
Lichter zweier Scheinwerfer hinter den Bäumen bemerkte. Das Gewitter hatte sich
inzwischen verzogen, und mit ihm hatten auch endlich das Donnern, das Blitzen
und vor allem der Regen aufgehört. Abrupt blieb Heiner stehen und lauschte. Eine
der Stimmen, auf die er aufmerksam geworden war, gehörte Bauer Preutenborbeck,
wie er rasch feststellte, und er lief in die Richtung, aus der die Stimmen zu
kommen schienen. „Du hier?“ fragte der Bauer, als Heiner ihn erreicht hatte,
„warum suchst du gerade hier?“ „Wir haben da hinten unter der Eiche“, und er
zeigte dabei auf den Baum, der im dämmernden Morgenlicht und weichenden Nebel
schemenhaft sichtbar wurde, „Rast gemacht. Haben Sie Wotan auch noch nirgendwo
entdeckt?“ Sie liefen dorthin, fanden aber nichts außer dem Korb, den Heiner
beim plötzlichen Aufbruch am Vornachmittag vergessen hatte und den Wotan hatte
holen wollen. Sie leuchteten mit Taschenlampen die Umgebung ab, vergeblich,
keine Spuren … Plötzlich rief der Knecht, der den Bauern begleitet hatte, von
dem nahen Hügel auf der Weide: „Bauer, kommen Sie doch mal hier hoch! Ich
glaube, ich habe was gefunden.“ „Komm mit, Heiner“, sagte der Bauer, und lief
die Anhöhe aufwärts, Heiner - so schnell er konnte - hinter ihm drein. Oben
angekommen fragte sie der Knecht: „Ist das nicht Wotans Zaum?“ Und er hob das im
Gras liegende Zaumzeug auf und zeigte es den beiden. Heiner erkannte es sofort,
denn er sah sofort am Zügel das Püppchen, das seine Großmutter auf Heiners
Wunsch für seinen Freund gestrickt hatte und das Heiner dort befestigt hatte.
„Ja“, rief Heiner, das ist Wotans, aber wo ist er? Er kann doch nicht weit sein.
Lasst uns weiter nach ihm suchen!“ „Ich muss euch noch was zeigen“, sagte
daraufhin der Knecht, „folgt mir!“ Nachdem sie etwa 50 Schritte gegangen waren,
zeigte er auf einen großen dunklen Fleck im Gras, dessen Farbe sich im fahlen
Licht der Morgendämmerung als blutrot erwies. „Diese Hunde! Wie können sie nur
..?“ entfuhr es dem Bauern, „ausgerechnet Wotan …“ Doch mit einem schnellen
Blick auf Heiner verstummte er. Heiner verstand nicht so recht, was der Bauer
meinte, und weder der Bauer noch der Knecht schienen bereit zu sein, Heiner an
ihren Vermutungen teilhaben zu lassen. Daher fragte Heiner den Bauern: „Was
meinen Sie damit?“ Doch der schien Heiners Frage nicht gehört zu haben, sondern
er stand nur - in Gedanken versunken und mit zornig dreinblickenden Augen - auf
der Weide und suchte den immer heller werdenden Horizont vergeblich nach
irgendwelchen Lebenszeichen ab. Ganz langsam dämmerte es Heiner, was das
Schweigen der Männer zu bedeuten hatte, und er fühlte, wie sich sein Herz
verkrampfte und Tränen in seine Augen schossen. Als die rote Morgensonne und
einige weiße Sommerwölkchen sich schließlich am Firmament sehen ließen, starrte
der Bauer hoch zum Himmel, und es schien, dass er dort etwas Ungewöhnliches
erblickt hatte. Er legte liebevoll die Hand auf Heiners Schulter, blickte ihn an
und sagte: „Heiner, schau dir mal die Wolken rechts von der Sonne an. Schau ganz
genau hin! Siehst du ..?“ Heiner strengte sein Augen an, sein Blick wanderte von
Wolke zu Wolke, und plötzlich stutzte er … Konnte das sein? War es wirklich ..?
Seine Augen blieben an einer besonders schön geformten Wolke haften, und er sah
dort, wie Wotan, nach dem sie vergeblich auf der Weide gesucht hatten, fröhlich
dahin jagte, auf ein großes Wolkengebilde zu, das einem riesigen Gattertor
ähnelte, nach und nach immer kleiner wurde und schließlich in weiter Ferne
seinen Blicken entschwand. Auch Bauer Preutenborbeck schien Wotan aus den Augen
verloren zu haben, er schüttelte sich und meinte nach einer Weile traurigen
Schweigens mit belegter Stimme: „Lasst uns heimfahren. Wir können hier doch
nichts mehr tun.“
Ein paar Tage später kam Heiners Onkel Paul zu Besuch, und Heiner erzählte ihm,
was er erlebt und gesehen hatte. Der Onkel schien nicht verwundert zu sein über
das, was er hörte. „Ich kann mir denken, wo dein Wotan jetzt ist“, sagte er und
begann die Geschichte von einer seiner Reisen zu erzählen, die ihn vor Jahren
einmal in den Pferdehimmel geführt hatte mit herrlich grünen Weiden und immer
scheinender Sonne, wohin Pferde galoppieren, wenn sie ihre Aufgabe auf der Erde
erfüllt haben …
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