Menschliches

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Binsenweisheit

 

Mit zwanzig reißt du Bäume aus,
machst jahrelang so weiter.
Mit vierzig baust du dir ein Haus,
stehst oben auf der Leiter
und glaubst noch immer unbesehen:
das Ganze wird so weitergehen!

Mit fünfzig jäh passiert dir dann,
was nie für möglich du gehalten.
Die Kinder seh´n dich seltsam an
und nennen dich den Alten!
Dein Atem wird nicht grade länger,
du spürst es, dir wird bang und bänger -

doch tröste dich, noch ahnst du nicht,
was dir die Sechzig bald bescheren,
wenn Rheuma plagt dich, Frust und Gicht,
die Frauen dich nicht mehr begehren -
willst selber so genau nicht wissen,
was sonst noch alles ist verschlissen!

Mit achtzig endlich wirst du schlau,
denkst nicht mehr an das Morgen,
freust dich am tiefen Himmelsblau,
lässt andren gern das Sorgen!
Warum nicht gleich so, fragt manch einer,
doch jung UND weise ist wohl keiner.

 

Lutz Menard

Das (S)Passfoto

 

Kürzlich brauchte ich fürs Reisen
ein Papier, mich auszuweisen.
Und so ging ich in dem Glauben,
niemand kann mein Bild mir rauben,
nicht zum Foto-Fachbetriebe,
sondern, dass es billig bliebe,
schnell zum Kaufhaus-Automaten
gegen jegliches Anraten
der vereinigten Familie
samt der Großmama Cäcilie!

Danach keiner mehr erkannte,
wen da auf die Platte bannte
der verflixte Blitzlichtkasten
mit den Überraschungstasten!
Meine Frau rief: "Mein Gott, Walter!
Du siehst aus wie ein Beknallter!"
Und der Grenzbeamte dachte,
ich sei Otto - doch er lachte
und ließ, ohne nachzusehen,
mich nebst Schmuggelware gehen.

 

Lutz Menard

 

 

 

 

 

 


Tröstlich

 

Gern sieht im Mittelpunkt sich immer
ein Mensch vom Ehrgeiz angetrieben,
obwohl´s ihm dort ergeht oft schlimmer,
als wär´ er peripher geblieben.

Der Pfeil der Götter trifft genau
den schwarzen Punkt im Schicksalsring!
Da freut sich manche arme Sau,
dass sie zum Glück daneben hing.

Einschränkend ist jedoch zu sagen,
dass Götter nicht all jene jagen,
die es verdienten - manche tragen
das Glück wie´n Schweißrand auf dem Kragen!

 

Lutz Menard

Der vergessene Hochzeitstag

 

Am Wiesenrande, blau gesternt,
sah ich Vergißmeinnicht.
Ein Windhauch streift sie ganz entfernt
im milden Abendlicht.

Sie beugen sich mit sanfter Neige
und senken ihren Strahlenblick,
damit sich mir die Botschaft zeige:
Vergessen - menschliches Geschick.

Es dämmert mir, dann fällt die Binde -
ich ließ ein lieb Gedenken aus,
vergaß die Braut im Kranzgewinde -
schnell pflücke ich den Blumenstrauß!

 

Lutz Menard


Knäckebrot und Quark

 

Ein Knäckebrot mit Quark bestrichen
ist ohne Frage sehr gesund.
Doch Zweifel hat mich bald beschlichen,
denn selten kommt es heil zum Mund.

Will ich die rechte Ecke knacken,
bricht gleich die linke auch mit ab.
Ich kaue nicht mit vollen Backen,
weil ich nur Krümel vor mir hab'.

Sie liegen platt auf meinem Schoße
und ganz von selber so gekehrt:
Die Oberseite auf der Hose,
die, welche ist mit Quark beschmert.

Da nützt auch nicht der nasse Lappen,
den schon die Hausfrau hält bereit.
Ich will nicht nur nach Krümeln schnappen,
und meine Hose tut mir leid,
zumal der Fleck am Hosenschlitz
auch Anlaß gibt zum faulen Witz!

Fazit:
Der Knäckequark stärkt Krümellust,
doch sorgt er auch für Frühstücksfrust!

 

Lutz Menard

 

Selbstzweifel

 

Gedankenjäger, Fallensteller,
der peinigende Träume streut -
der nimmermüde Fragesteller,
der morgenhellen Himmel scheut -

der ruhelos in dunkler Nacht
durch unbestellte Fluren streift
und über off´ne Gräber wacht,
wo Gestern nach dem Heute greift.

 

Lutz Menard

 

 

 


 

 

Der Schnäppchenjäger -

oder Amoklauf im Schlussverkauf                                             

Er geht in jedes Warenhaus
und schaut nach kleinen Preisen aus.
Das Preisschild zählt erst durchgestrichen:
Er kann die Schnäppchen förmlich riechen!

10 Socken für nur 15 Mark,
das ist laut Werbung bärenstark!
Das City-Hemd von 1-b-Güte
kommt gleichfalls billig in die Tüte!

Dort hängt ein modisches Jackett
mit einem nur ganz kleinen Fleck!
Doch dafür ist der Preis halbiert,
und so wird niemand irritiert.

Zeigt sich der Bauch auch eingeengt,
wenn er sich in die Hose zwängt -
für 50 Mark zieht er ihn ein
und hält die Luft an für den Schein.

Der Schuh drückt zwar am großen Zeh,
doch streng genommen tut's nicht weh.
Er weitet sich bestimmt beim Tragen -
bei diesem Preis muß man es wagen!

Wer sich so preiswert ausstaffiert,
ist dennoch oft zuhaus blamiert:
Wusch ihn die Waschmaschine reiner,
ward doch der Socken immer kleiner!

Das City-Hemd gab alsbald preis
den Farbton und war nun grau-weiß.
Der Jackenfleck schien ausgerieben,
doch ist ein kleines Loch geblieben.

Die Hose konnte er kaum tragen,
sie drückte schmerzhaft auf den Magen.
Die Schuhe blieben auch zu klein
und brachten Hühneraugen-Pein!

Trotzdem ist mit dem Billigkaufen
zuletzt noch alles gut gelaufen:
Dem Roten Kreuz hat man gespendet,
was sonst meist auf dem Müllberg endet.

 

Lutz Menard


 

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