Menschliches

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Am hellerlichten Tag

 

Ihr Leib bebte,
der Raum erzitterte,
der ganze Ort hörte mit.
Vögel flogen auf.
Er zog sie,
sie zog ihn,
auf und ab,
immer wieder.
Er stöhnte leise.

Sie war kühl,
er ein Mann.
Nahtlos ihr Körper,
wie aus einem Guss.
Die sanften Rundungen,
der glänzende Leib,
alle im Dorf
kannten sie,
hörten das rhythmische
Schlagen,
zählten leise mit:
Vier-fünf-sechs.

Der starke Klöppel
schlug ein letztes Mal,
dann sank er
erschöpft nieder.
Immer wieder würde er
kommen,
um sie zu schlagen -
seine Kirchturmglocke.

 

Henrik Müller
 

 

Das Schlitzohr
 

Artig saß ich beim Friseur,
da passierte ein Malheur:
Eine Schere, ungebremst,
hat sich in mein Ohr gesenst.

Voller Schmerz sprang ich empor,
ritzte so mein schönes Ohr.
Meistro war wohl so geschockt,
dass er mich gleich aufgebockt.

So erhöht kipp ich mit Schreck,
vorgebeugt ins Kopfwascheck.
Scheppern tut es wirklich laut,
die Frisur ist arg versaut.

In der Hand, da halt ich brav,
´ne Perücke Marke Schaf.
Halt gab diese also nicht,
Meistros Kopfhaut dafür Licht.

Da der Wasserhahn zerbrach,
kommt das nächste Ungemach.
Überschwemmt im Kundenraum,
schwimm ich bald im bunten Schaum.

Meine Rechnung bitte sehr,
zahl ich heute hier nicht mehr.
Blubbernd ruft der Meister bei,
ob ich denn ein Schlitzohr sei?

Wenn sie denken Meister Schmidt,
ich mach dieses immer mit,
Rumgemetzel mit Komfort,
leih´n sie mir vielleicht ihr Ohr?

 

Henrik Müller


 

Selten

 

Es gibt ein Wort,
das man vermisst
weil´s selten wird,
da man vergisst,
dass jenes Wort
ein Urquell
aller Freuden ist.
Verdienter Lohn
für harten Fron,
gesäuselt und entzückt,
Du trägst es in Dir,
schrei es raus,
was andere beglückt.
Oh, sag es
bitte
...
Danke!

 

Henrik Müller
 


 

 

 

Der Dompteur

 

(Mund leicht zur Flöte spitzen

und vornehm sprechen:)
 

Ein Dompteur betrat die Arena.
Er und der Löwe, sonst weiter keena*.
Dem Tiere seine Macht beweisen,
wo andere in die Hosen schei...

Die Pfoten hoch, die Pfoten runter!
Das Vieh gehorcht, was für ein Wunder.
Es peitscht und knallt, erfüllt den Raum,
ein andrer könnte das wohl kaum.

Sein Können gibt er allen kund
und steckt den Kopf tief in den Schlund.
Ohnmächtig sinken Damen um,
den Rest der Leute schaltet´s stumm.

Als er den Schädel seitwärts dreht,
da wird´s dem Löwen gar zu blöd.
Ein Knacken hört im Zelt man laut,
Den Rest des Abends wird verdaut.

Und die Moral von der Geschicht?
Ein großes Maul bekommt Dir nicht.

*sächsisch

 

Henrik Müller


Aufstand der Dinge

 

Ich fiel in die Wohnung, 
es war nachts halb zwei,
Mann hatte getrunken, 
was war auch dabei.

Erst flog meine Jacke, 
dann flog auch mein Schuh,
es folgten die Socken, 
die Hose dazu.

Das Bett, was sich drehte, 
es knarrte ganz leis,
ich schien auch zu fahren, 
wahrscheinlich auf Eis.

Ich schloss meine Augen
und zog sie dann rauf,
ich riß wie ein Uhu
die Dinger weit auf.

Es folgte ein Schrecken, 
der wirkt noch bis heut,
ich sah bunte Sterne 
und hörte Geläut:    .... >

Ein Schlag auf die Nase,
vom Hacken des Schuhs,
verkrümmte den Kolben,
es spritzte der Juice.

Die Hose am Halse,
sie würgte mich stark,
viel schlimmer die Socke,
die knebelte arg.

Ich hörte ein Schreien:
Du schlampiger Typ,
mein Winseln war hörbar:
ich hab Euch doch lieb.

Seit dem bin ich artig
und acht´ jedes Ding,
sie liegen geordnet,
gleich neben dem Ring.

Nun frag ich mich manchmal,
wo war meine Frau,
als man mich verhaute,
die Augen tief blau?

 

Henrik Mülller


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